Schlummern, dämmern, ruhen, rasten, ein Nickerchen machen: Szenen von dösenden Menschen sind in Japan nicht ungewöhnlich. Vor allem in der Bahn sieht man regelmäßig Menschen schlafen. Während der Rush-Hour gibt es sogar überhaupt nur zwei Daseins-Formen: Vornübergebeugt dämmernd oder vertieft in sein Handy. Lest hier eine Auswahl aus dem Wörterbuch des Dösens von Oguro.
Eine Art des Schlafens, ein leichter Schlaf, aus dem man jederzeit zur richtigen Station aufwacht, hat in Japan einen besonderen Namen: inemuri. Eine Kulturform, die in allen Lebenslagen gepflegt wird, auch zum Beispiel bei Meetings. Ja, Sie haben richtig gehört: Es kann passieren, dass Menschen im Meeting einfach wegschlummern. Vor allem ältere Männer.
Genau das hat die Zeichnerin Oguro in ihrer Zine-Reihe eingefangen: Ältere Männer beim Dösen in der Bahn und am Arbeitsplatz. „Irgendwie fand ich das unfair, dass vor allem Männer immer schlafen, auch bei der Arbeit. Ich habe mich dann entschlossen, kreativ damit umzugehen“, sagt die Grafikerin.
Entstanden ist ein „Wörterbuch des Dösens“. Schlafpositionen, die Ogura gegoogelt hat oder die ihr persönlich im Alltag begegneten, sind in das Wörterbuch eingeflossen. Sie setzt sich immer charmant und oftmals witzig mit dem Herrendösen auseinander. Aber lesen Sie selbst:
Edition Nr. 1: In der Bahn
Standard, der
Man überlässt sich dem leichten Schwanken der Bahn, nickt vor Müdigkeit ein.
Es ist einer der Standards beim Dösen in der Bahn.
Reflektion, die
Den Körper mit Stirn und Knien stützen und im Stehen dösen.
Unter Umständen erlebt man im Traum Szenen des jeweiligen Arbeitstags, über die man nochmal nachdenkt, während man die Kälte der Glasscheibe spürt.
Verwegener Kämpfer, der
Verwendet die Fläche von zwei Sitzen, legt sich nur mit dem Oberkörper hin und schläft.
Die Triebfeder des verwegenen Kämpfers ist das Ungestüm, mit dem er die Augen der Umgebenden und mögliche Unannehmlichkeiten völlig ignoriert.
Abstützen, das
Sich an den Sitznachbarn in der Bahn anlehnend, schläft man unbemerkt ein.
Der Autor dieses Wörterbuches sitzt aus unerklärlichen Gründen zufällig meist genau neben dem Besagten und wird häufig als Ablage verwendet.
Bis eben noch stützte sich der doch an dem Typen auf der andern Seite ab…
Warum nur…
Edition Nr. 2: am Arbeitsplatz
Standard, der
Auf dem Tisch liegen, den einen Arm oder beide Arme als Kopfkissen nutzen und ein Nickerchen machen. Ein Standard beim Dösen.
Allerdings kann man es nicht empfehlen. Ich habe gehört, dass man nach dem Essen nicht gleich dösen sollte.
Kanuing, das
Schaukelndes Einnicken, wenn man verzweifelt versucht, wach zu bleiben, obwohl der Schlaf einen längst übermannt hat.
Wegen der schaukelnden Bewegung vor und zurück sieht man aus als würde man rudern.
Das ist eine sehr auffällige Art, während der Arbeit zu schlafen.
Offener Biss, der
Mit offenem Mund dösen, ohne sich vor anderen zu genieren.
Verharrt man lange Zeit in dieser Position, wird der Mund trocken.
Bisweilen schnappt man wie ein Goldfisch, der auf Futtersuche ist.
Augenweiß, das
Will man eindösend das Bewusstsein behalten, können sich die Augen verdrehen.
Dieser Schlafstil löst bei Umstehenden Furcht aus.
Der Schwierigkeitsgrad ist hoch, das kann nicht jeder.
Gebet, das
Schlafen und dabei die Hände so gefaltet haben, als würde man beten.
Während man „aufdass ich schnell nach Hause komme…“ betet, müsste man eigentlich arbeiten, sonst kann man ja nicht gehen.
Armverschränken, das
Die Arme verschränkt haben und dösen, als ob man sich über etwas Sorgen macht.
Das passiert häufig bei Vorständen oder Dienstälteren.
Die Mitarbeiter in der Nähe bemerken, dass der Kollege schläft.
Schlimmstenfalls kann man sogar das Schnarchen hören…