Berlinale Special
Selbst im Weltall, sich kopfüber drehend, trägt Adam Sandler noch dieselben Kleider wie stets: ein übergroßes, gelbes T-Shirt und rot-orange gestreifte Boxershorts – casual wear in der Schwerelosigkeit. Gut möglich, dass Johan Renck damit zu Beginn seines Films „Spaceman“ eine unmittelbare, nicht weiter erklärungsbedürftige Vertrautheit mit der Figur erzeugen möchte, die sonst eher schwerer ableitbar gewesen wäre: Sandler spielt den tschechischen Raumfahrer Jakub Prochazka zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit, wohl nicht allzu spät nach dem Zusammenbruch der tschechoslowakischen Republik. Seit 189 Tagen befindet er sich alleine auf einer Raumfahrtmission zu einer riesigen Wolkenbank namens Chopra, die vor einigen Jahren am Himmel aufgetaucht und seitdem als eine Art violett getönter Spuk zur Projektionsfläche von Ängsten und Befürchtungen auf der Erde angewachsen ist.
Die Geschichte dieser Reise basiert auf einem Roman des Autors Jaroslav Kalfař, „Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt“, und in verschiedenen Allusionen und Verweisen auf Stanislaw Lems Sci-Fi-Dauerbrenner „Solaris“ und dessen Verfilmung durch Andrei Tarkowski wird schnell klar, dass es sich bei „Spaceman“ leider auch und insbesondere um eine eher metaphysisch verbrämte Exkursion handeln wird. Denn dem an Einsamkeit im All leidenden Jakub erscheint eines Tages eine überlebensgroße, verwinkelt gegliederte Spinne, die im angemessen manierierten Sprachduktus von Paul Dano mit ihm zu reden beginnt. Das Palaver der beiden Gestrandeten dreht sich dabei insbesondere um Jakubs Beziehung zu seiner Frau Lenka (Carey Mulligan), die, seit einigen Monaten schwanger, den Entschluss gefasst hat, ihren Mann zu verlassen. So wird das Therapietierchen schnell zu einem interstellaren Beziehungsberater, der, in den Erinnerungen Jakubs grabend, die Ehe mit den Mitteln vulgarisierter Psychoanalyse retten möchte.
Bekannt für seine HBO-Prestige-Serie „Chernobyl“ lag die Hauptkompetenz des Regisseurs Johan Renck bislang eher im langatmigen Durcherzählen und dräuenden Atmosphärendesign, weniger im visuellen Ausgestalten eines Filmes. Kaum etwas auf der Weltraumreise verfügt so über einen sonderlich ausgeprägten sense of wonder, farblich versumpft die Geschichte schnell in den digital verwaschenen Lilatönen der Wolkenformation, die eine passend wabernde Entsprechung im Score von Max Richter finden. Am ehesten erfreuen kann den lebenslangen Sandlerphilen noch das Ausloten des Gesichts des Schauspielers in großzügig gesetzten Close-ups: die ungläubig-aufmerksamen Augen, das Wispern der Stimme, die dadurch etwas vom gewohnten gutturalen Sound einbüßt, der üppig ausgreifende Vollbart, der in Rückblenden wieder zurückweicht zu einem feiner geschnittenen Schnurrer, wie man ihn in den letzten Jahren liebgewonnen hat (diesbezüglicher Schnurrbart-Peak so far: die 45-Grad-Neigung an beiden Seiten in „Hubie Halloween“).
Doch selbst die anstrengungslose Ausstrahlung Sandlers kann nicht darüber hinwegtrösten: In seiner Filmografie wirkt der Film eher wie ein Rückfall in die mittleren Zehnerjahre, einer Zeit, in der seine bis dato erfolgsverwöhnten Produktionen zunehmend an kommerzieller Zugkraft einbüßten und der Schauspieler zwischenzeitlich an farblose Arthouse-Projekte wie „Men, Women & Children“ (2014) von Jason Reitman oder verzweifelte Blockbuster-Fehlkalkulationen nach Art von Chris Columbus‘ „Pixels“ (2015) verloren zu gehen drohte. Erst ein bis heute mehrfach verlängerter Deal mit dem Streaminganbieter Netflix führte in der Folge zu einer Konsolidierung seiner langjährigen eigenen Produktionsschmiede Happy Madison, die seitdem wieder eine kleine, autonome Traumfabrik anderswo brachliegender Genreformen in mittlerer Budgetklasse bildet: Western- und familienfreundliche Horrorkomödien, Coming-of-Age-Filme und Sportmelodramen. Gemeinsam haben all diese Filme vor allem, dass Sandler an verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses maßgeblich beteiligt ist, meistens ohne eigens erwähnten Credit (was der Regisseur Alexander Payne, der ursprünglich eine frühe Drehbuchform von Sandlers „I Now Pronounce You Chuck & Larry“ geschrieben hatte, mal wenig erfreut mit dem Begriff „sandlerised“ umschrieb). So verwundert es kaum, dass „Spaceman“ keine Happy-Madison-Produktion ist, sondern ein Film, der seinen Star lediglich als buchbaren Vermögenswert dazuholt. Für Adam Sandler dürfte das nichts weiter als nur einen Schritt zur Seite bedeuten.