Neu im Kino: „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt

Bei der Berlinale 2019 gab es standing ovations nach der Premiere von „Systemsprenger“. Reichlich Hoffnung und Erwartung lasten seitdem auf dem Regiedebüt, das im August als deutsche Einreichung für die Oscar-Verleihung 2020 ausgewählt wurde und dabei sogar den mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichneten Publikumsschlager „Der Junge muss an die frische Luft“ ausstach. Regisseurin Nora Fingscheidt erzählt die akribisch recherchierte Geschichte des traumatisierten, schwer verhaltensgestörten Mädchens Benni, das seine Wut und seinen Freiheitsdrang nicht zügeln kann. Dies ist formal und ästhetisch zwar nicht gerade systemsprengend. Auch wirkt die aus dem Grunge-Rock bewährte Laut-Leise-LAUT-Dynamik, mit der der Film die emotionale Eskalationsleiter besteigt, auf der Langstrecke von fast zwei Stunden etwas erschöpfend und redundant. So geht es einem wie dem Betreuungspersonal von Benni, das sich zunehmend hilflos und frustriert ihren Vulkanausbrüchen ausgesetzt sieht. Etwas identifikatorischen Halt vermittelt immerhin Albrecht Schuch als Bennis Anti-Gewalt-Trainer, der seine professionelle Distanz zu ihr zu verlieren droht. Doch vor allem das schonungslos intensive, auch zarte Spiel von Helena Zengel, des rebel girl without a cause, ist sehenswert. So kann man sich der nahezu dokumentarischen Wucht, mit der eine Belastungsprobe für das Erziehungssystem als Stresstest für den Zuschauer inszeniert wird, kaum entziehen.  

„Systemsprenger“ | Deutschland 2019 | Drama | 1:58 h | Kinostart: 19. September 2019
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